Weichenstellungen im Bildungssystem – Abstellgleis für die Realschule?

von RLV-BW

Stuttgart, 8. Mai 2024

Weichenstellungen im Bildungssystem – Abstellgleis für die Realschule?

In der vergangenen Woche hat Ministerpräsident Kretschmann in einer Regierungserklärung über die umfangreichen Weichenstellungen im Bildungssystem informiert. Im Gegensatz zu anderen Verbänden empfindet der Realschullehrerverband das Ergebnis für die Realschulen als katastrophal (siehe auch die Pressemitteilungen und den „Offenen Brief“ des RLV und des VDR). Das Ergebnis hat aus unserer Sicht für die Realschulen nur Nachteile und trägt eindeutig die „Handschrift“ der Grünen. Alle Gespräche über die Möglichkeit zu Verbundschulen wurden vom RLV unter dem Vorbehalt einer nahenden Verbindlichkeit geführt. Niemals war die Rede davon, dass es diese gar nicht gibt. Ohne die Verbindlichkeit werden die Verbünde zu Bürokratiemonstern, die von unseren Schulleitungen zu verwalten sind!    

Dennoch wird in der Öffentlichkeit behauptet, dass man eine verbindliche Grundschulempfehlung durchgesetzt hätte. Das ist eine Unverfrorenheit! Die Sorge davor, dass die Gymnasien überlaufen, hat hier wohl eher die Entscheidung diktiert. Mit den Kindern hat das zunächst gar nichts zu tun. Das fatale Zeichen, das an die Eltern, Schüler und Lehrkräfte im Land geht, heißt: Für das Gymnasium braucht ein Kind ein bestimmtes Potenzial, alle anderen Schularten, kann man sich beliebig auswählen. Dabei hatte die Realschule schon immer eine ihr eigene Methodik und Didaktik beim Erarbeiten der Inhalte bis zum Realschullabschluss nach der 10. Klasse. Das hat sie erfolgreich gemacht!

Im Prinzip fehlt nur eine kleine Korrektur des Konzepts, um das Gleichgewicht herzustellen: Die 2 aus 3 Regelung gilt für alle Schularten und bei Dissens mit dem Elternwillen gibt es einen entsprechenden Potenzialtest nicht nur am Gymnasium, sondern entsprechend auch an der Realschule. Kein Hexenwerk, völlig unkompliziert, kostenneutral und logisch. Glasklar sprechen lediglich ideologische Gründe dagegen.

Auch Verbünde von Haupt- und Realschulen brauchen eine Verbindlichkeit als Grundlage. Ohne Verbindlichkeit wird sich die Situation weder an Realschulen noch an Hauptschulen noch in den Verbünden ändern. Die Schulleitungen entlässt man jetzt in ein Organisationschaos.

Es entbehrt nicht eines gewissen, aber sehr schwarzen Humors, wenn man den Realschullehrerverband, der seit 13 Jahren davor warnt, dass mit fehlender Verbindlichkeit die Haupt- und Werkrealschulen sterben werden, im Ministerium darauf hinweist, dass es nun leider nicht mehr genügend Haupt- und Werkrealschulen im Land gäbe.

Immerhin sind es aber noch über 229, die mit ihrer besonderen Methodik und Didaktik die Schüler im eher praktischen Bereich und in ihrem Tempo fördern und damit wertvolle Arbeit leisten. Es wäre kontraproduktiv diese zwingend in Schulverbände zu drängen. Mit einer verbindlichen Grundschulempfehlung würden die Schülerzahlen an Haupt- und Werkrealschulen selbstverständlich wieder anwachsen. Ebenso wäre es möglich an Realschulen, ohne Hauptschule in der Nähe, unabhängige Hauptschulzüge einzuführen. Die Bereitschaft bei uns Realschulen ist da, der politische Wille nicht.

Ganz am Rande erwähnt haben alle Gemeinschaftsschulen, die zum Teil (Schülerzahlen betrachtet) vor sich hindümpeln, einen G-Zug (Hauptschulzug) im System. Doch die Gemeinschaftsschulen werden nicht angerührt. Ein Schelm, wer Böses dabei denkt? Nochmal: Das Aussparen der Verbindlichkeit für Realschulen ist nicht logisch, sondern nur ideologisch begründbar.

Auf der einen Seite gibt es in Zukunft das Gymnasium und auf der anderen Seite eine vereinheitlichte Sekundarstufe, auf die alle anderen Kinder gehen, die das Gymnasium nicht schaffen. Das ist defacto die Implementierung eines zweigliedrigen Schulsystems in Baden-Württemberg. Es werden, wie in anderen Ländern auch, Privatschulen Aufwind bekommen, in denen die Eltern die Wünsche für ihr Kind über den Geldbeutel regeln können. Der Fachkräftemangel wird weiterhin ansteigen, die Qualität der Ausbildung sinken. Gerade in nichtakademisch hoch qualifizierten Berufen wird der Mangel eklatant sein. Fehlt die Realschule, leidet der Mittelstand. Wenn man ein stabiles Bildungssystem und Wohlstand zerstören will, fängt man in der Mitte an.

Sicher, es gibt auch Verbundschulen, bei denen das gut funktionieren könnte. Wir machen aber immer wieder darauf aufmerksam, dass auch Verbundschulen auf eine Verbindlichkeit der Empfehlung und Übergänge nach Leistung basieren müssen. Es ist inzwischen eine Binsenweisheit, dass Eltern die Schulen nach völlig anderen Kriterien wählen und in der Regel den höheren Bildungsweg für ihre Kinder wollen. Ebenso gehört es aber auch zur Wahrheit, dass Eltern, die ihr Kind auf eine Realschule schicken, das Realschulniveau dort auch erwarten dürfen. Mit solchen Eltern reden wir täglich, medial werden sie nie erwähnt. Es gilt die Verbindlichkeit auch für die Realschule herzustellen, nur so kann die Abschaffung der Realschule in Baden-Württemberg verhindert werden.